Bolivien - Jucker - Kakteen      

 
 











Feldarbeit
Etappe 12

Tarabuco - Soroma - Kollpa - Azurduy
November, Dezember 2004

Auf dieser Reise möchte ich mich auf die Erkundung von Kakteenvorkommen in den schwer zugänglichen und wenig erforschten Gebirgszügen westlich des Rio Pilcomayo konzentrieren, die sich von Norden nach Süden erstrecken.

Meine Reise beginnt in Tarabuco. Von dort wandere ich auf dem westlich gelegenen Gebirgszug nach Südwesten bis zur Estancia Uyuni am Rio Pilcomayo. Weiter geht es entlang der Cordillera Mandinga nach Süden bis Soroma. Dort werde ich den Rio Pilcomayo überqueren und auf den dort gelegenen Gebirgszügen nach Süden bis Kollpa wandern. Weiter südlich überquere ich den Rio Pilcomayo erneut und wandere nach Osten über die Cordillera Mandinga und beende meine Reise in Azurduy.




Mittwoch, 17. November, Flug von Zürich nach La Paz

Nachdem ich sämtliche Vorbereitungen für meine Bolivienreise getroffen hatte, verbrachte ich fast den ganzen Tag damit, die Wohnung zu reinigen. Da Dora im Rollstuhl sitzt, ist es für sie schwierig, diese Arbeiten zu erledigen. Anschliessend fuhr ich zum Bächli Sport, um Flickzeug für meine Liegematte zu kaufen, und danach zum Flughafen, um meinen Rucksack für den Flug nach La Paz einzuchecken. Am späteren Nachmittag brachte mich Dora zum Flughafen. Der Abschied war wie immer herzlich, aber auch schmerzlich.

Obwohl mein Flug wegen schlechtem Wetter in Frankfurt verspätet war, konnte ich pünktlich im Airbus für den Weiterflug nach Sao Paulo Platz nehmen. Während des elfstündigen Fluges gab es genügend Freiraum, um die meiste Zeit zu schlafen.




Donnerstag, 18. November, Sao Paulo

Nach kurzem Aufenthalt, starten wir pünktlich in Richtung Santa Cruz. Bei trübem und regnerischem Wetter landeten wir dort um die Mittagszeit. Nachdem die Passagiere aus- und wieder eingestiegen waren, setzten wir unsere Reise fort. Schon bald lichteten sich die Wolken und man hatte eine gute Sicht auf die bewaldeten Ausläufer der Anden. Wir überflogen die Cordillera Quime Cruz und ich konnte die Ortschaft Araca sehen, wo ich 2002 in den steilen Berghängen herumgestiegen bin. Danach ging die Wanderung weiter bis nach Cochabamba.

Vorbei am vergletscherten Nevada Illimani, es ist der zweit höchste Berg Boliviens, landeten wir kurze Zeit später auf dem Flughafen von El Alto in La Paz. Mit dem Taxi fuhr ich direkt ins Hotel Oberland, wo ich den Besitzer und langjährigen Freund Walter Schmid in Mallasa, traf.

Es war ein freudiges Wiedersehen und es gab viel zu erzählen. Walter zeigte mir das grosszügige Zweibettzimmer, das er mir bereits ein Jahr zuvor zur Verfügung gestellt hatte. Ich machte meinen Rucksack reisefertig und konnte die Sachen, die ich für meine Wanderung nicht brauche, im Handkoffer bei Walter deponieren. In der Bar lernte ich Ralf kennen, einen Schweizer, der hier Häuser baut. Wenn es wenig Arbeit gibt, unterstützt er Walter im Hotel oder macht Führungen mit Schweizertouristen in der näheren Umgebung. Später beim Abendessen erzählten wir uns gegenseitig Geschichten, manchmal lustige, manchmal aber auch ziemlich üble. (Mehr Infos über La Paz, siehe Etappe 6)




Freitag, 19. November, Hotel Oberland, Mallasa

Während des Frühstücks unterhalte ich mich mit einem pensionierten Ehepaar aus der Schweiz, das seit drei Monaten in einem Camper durch Südamerika reist. Es gab also genügend Gesprächsstoff. Bald darauf steht das bestellte Taxi vor dem Hotel und bringt mich zum Flughafen. Am frühen Nachmittag schwebe ich bereits über den Wolken in Richtung Sucre.

Während der Landung auf der kurzen, abwärtsgerichteten Landebahn musste der Pilot stark abbremsen, um nicht in die danach folgende Schlucht zu stürzen. Auf der Fahrt mit dem Taxi in die Stadt machen wir Halt an einer Tankstelle, wo ich die Benzinflasche für meinen Benzinkocher auffülle. Danach brachte mich der Taxifahrer zum Ort, von dem aus die Busse nach Tarabuco fahren. Ich habe Glück, denn ein Fahrer eines Microbusses suchte noch Passagiere, und so erreiche ich Tarabuco bereits am späteren Nachmittag. An der Plaza, in demselben Ochamiento, wo ich auf meiner ersten Bolivienwanderung genächtigt hatte, bekam ich ein Zimmer. Die Hygiene hat sich deutlich verbessert, denn die Bettwäsche war dieses Mal sauber gewaschen. Der traditionelle Sonntagsmarkt, der übers Wochenende stattfindet, scheint bereits Fahrt aufgenommen zu haben. Die Händler und Bauern bauen ihre Stände auf oder breiten ihre Wolldecken am Boden aus und bieten ihre Produkte zum Verkauf an. Es ist immer wieder eine Augenweide, diese aus der Region von Hand hergestellten Textilien aus Lama- und Alpakawolle in allen Farben zu bestaunen.

Landkarte: Tarabuco-Soroma-Kollpa- Azurduy

Sonntagsmarkt in Tarabuco




Samstag, 20. November, Tarabuco

Der Tag beginnt nur zögerlich, als die Wirtin mir zwei Spiegeleier und frische Brötchen serviert. Während ich durch die schmalen Gassen gehe, steigt Rauch aus den Hinterhöfen auf und es riecht nach Essen. Ich befinde mich auf der Strasse die nach Südwesten entlang der Berge bis nach Palmar führt. Auf meinem Weg begegne ich immer wieder Menschen mit vollbepackten Eseln, Schafen und Ziegen, die sie an der Leine führen oder schwere Stoffbündel auf der Schulter tragen. Sie alle gehen zum Markt um ihre Produkte zu verkaufen.

in der Region Comunidad Churjcanita, etwa 12 km südwestlich von Tarabuco, steige ich auf einen steinigen und kargen Hügel. Wie zu vermuten war, entdecke ich dort eine Population von Sulcorebutien tarabuconesis, die HJ 1101. In der Nähe fand ich einen weiteren Standort von Sulcorebutia tarabucoensis, die HJ 1102. Die wenigen gefundenen Samen dieses Klons haben in Kultur nicht gekeimt, so dass er in der Sammlung keine Bedeutung hat.

HJ 1101 Sulcorebutia tarabucoensis var./ssp.??
Cerro Jatun Khasa, 2 km südwestlich Comunidad Churicanita, 3528 m, Dep. Chuquisaca, Provinz Yamparáez, Bolivien

HJ 1101 Sulcorebutia tarabucoensis
Kulturpflanzen: Klon 11

Erschöpft und durstig suche ich nach einem geeigneten Ort für das Nachtlager. Doch das Gelände ist steil und felsig. Kurz vor Dunkelheit fand ich einen kleinen Ort zum Zelten neben einem Kartoffelfeld. Ohne Wasser wäre die Nacht brutal gewesen. Also muss ich mit meiner Stirnlampe in tiefere Lagen absteigen, um Wasser zu finden. Schliesslich fand ich einen kleinen Tümpel mit klarem Wasser in einer ausgetrockneten Bachrunse, was für ein Segen!

Blick nach Südwesten ins Tal des Rio Pilcomayo, Camp 1 Tag,




Sonntag, 21. November, am Cerro Jatun Khasa

Ich folge dem Gebirgskamm und sehe nur noch gelegentlich Sulcorebutia tarabucoensis. Später verschwinden sie ganz. Der Blick ins Tal von Icla und Rio Pilcomayo ist atemberaubend.

Blick ins Tal von Icla und Rio Pilcomayo

Am späteren Nachmittag finde ich einen geeigneten Ort zum Campen mit einer herrlichen Aussicht und entschliesse mich, die Nacht hier zu verbringen.

Camp 2 Tag, Blick ins Tal des Rio Pilcomayo




Montag, 22. November, am Cerro Salli-Salli

Mitten in der Nacht hat mich ein betrunkener Indio belästigt. Er schlug mit einem Stock gegen mein Zelt und liess mich nicht schlafen. Ich forderte ihn auf, mich in Ruhe zu lassen und zu verschwinden. Doch kurz darauf wiederholte er seine Attacke. Ich fragte ihn, was er von mir wolle. Er sagte, er sei arm und habe kein Geld. Ich gab ihm 10 Bolo und bat ihn, mich in Ruhe zu lassen. Danach verschwand er und ich konnte endlich ruhig schlafen.

Nach der unfreundlichen Attacke in der letzten Nacht packe ich meine Sachen sehr früh am Morgen zusammen. Der Weg führt mich bald hinab ins Tal von Icla, wo ich eine imposante Sicht auf die Cordillera Mandinga habe. Ganz unerwartet sehe ich in den Felsen rote Farbtupfer leuchten. Es handelte sich um eine Gruppe von Parodia yamparaezi, die HJ 1104, wie ich später herausfand.

HJ 1104 Parodia yamparaezi
Cerro Yana Khakha, 3´100 m, Dep. Chuquisaca, Provinz Yamparáez, Bolivien

Dieser fast tausend Meter tiefe Abstieg ins Tal, durch rutschiges und felsiges Gelände, ist nicht nur gefährlich, sondern auch sehr anstrengend. In den Felsen wachsen vereinzelt Weingartia pilcomayensis, die HJ 1105. Leider haben die wenigen gefundenen Samen in Kultur nicht gekeimt, so dass diese in der Sammlung keine Bedeutung hat. Um die Mittagszeit erreiche ich ziemlich erschöpft, aber unbeschadet, die Strasse, die von Icla nach Estancia Uyuni führt. Unter quälendem Durst und an der brennenden Sonne folge ich dieser Strasse und erreiche nach 10 km den malerischen Ort am Rio Pilcomayo. Dort kann ich mich in einem kleinen Restaurant verköstigen und wieder Kraft schöpfen.

Ich frage die Wirtin, ob es im Dorf Übernachtungsmöglichkeiten gäbe. Sie zeigte mir den Ort, an dem ich ein Zimmer finden kann. Das Zimmer ohne Bett, das mir der Besitzer zur Verfügung stellt, ist für Gäste aus der weiteren Umgebung gedacht, die hier übernachten wollen, um am nächsten Tag mit dem Bus in die Stadt zu fahren. Es ist besser, ein Zimmer ohne Bett zu haben, als eines mit Bettwanzen. Der Boden ist sehr schmutzig und muss zuerst gereinigt werden. Ausserdem werden Sackweise Zwiebeln gelagert, deren Geruch nicht gerade zum Einschlafen einlädt.

Estancia Uyuni




Dienstag, 23. November, Estancia Uyuni

Ich kaufe noch Früchte, die hier überall angepflanzt werden und folge der Strasse durch Bananen, Citrus und Papaya Plantagen in Richtung Soroma. Schliesslich erreichte ich den Rio Pilcomayo, dessen Umgebung von einer spektakulären Gebirgslandschaft aus roten Sandsteinfelsen geprägt ist. Der Fluss, der von Nord nach Süd fliesst, bildet die Grenze zwischen den beiden Departementes Chuquisaca und Potosi. Er ist der einzige grössere Fluss in Bolivien, der nicht ins Amazonasbecken mündet, sondern nach langer Reise in der Nähe von Asunción in den Rio Paraguay fliesst.

Entlang des Rio Pilcomayo nach Soroma

Entlang der imposanten Gebirgszüge beidseits des Tals nach Süden zu folgen und nach neuen Kakteenvorkommen zu suchen, erfüllt mich mit Freude. Vielleicht entdecke ich ja eine neue Art!

Bereits früh am Morgen brennt die Sonne gnadenlos vom Himmel und ich war froh, dass in der kleinen Ortschaft Tayagata kühle Getränke angeboten wurden. Auch ein Telefonamt (Entel) gibt es. Mit mehreren Telefonkarten kann mir die zuständige Frau via Satelliten eine Verbindung herstellen zu Dora nachhause, was für eine Überraschung, Zuhause ist alles OK. Es wird wohl das letzte Telefonat gewesen sein bis zu meiner Endstation in Azurduy.

Um die Mittagszeit erreiche ich den malerischen Ort Soroma am Fusse des Cerro Pucara, der von mächtigen und senkrechten Felswänden geprägt ist.

Soroma, im Hintergrund der Cerro Pucara

Hier verlasse ich die Zivilisation und steige in die von grossen Flusssteinen übersäte Schlucht des Rio Orito Mayu. Um hier vorwärts zu kommen, muss man einen Ort suchen, wo die Flusssteine nicht zu gross sind oder noch besser, wo es Sand oder Schotter gibt. Doch es ist mühsam. Während ich mich an den steilen Felswänden entlang quäle, entdecke ich an den Felsen eine mir unbekannte Population von Parodien, die HJ 1106. Später auf weiteren ausgedehnten Wanderungen in der Umgebung westlich des Cerro Pucara, habe ich an mehreren Stellen ähnliche Parodien gefunden.

Nach jahrelangen Beobachtungen wurde durch die Nachzuchten der verschiedenen Populationen klar, dass diese alle Formen einer einzigen neuen Art sind.

Die Parodia diersiana, HJ 1106 wurde von mir in der Zeitschrift "Kakteen und andere Sukkulenten", Heft 9, September 2020, erstbeschrieben. Diese Art habe ich zu Ehren von Prof. Diers benannt.

HJ 1106 Parodia diersiana
Rio Orito Mayu, östlich Soroma, 2´000 m, Dep. Chuquisaca, Provinz Jaime Zudañez, Bolivien

HJ 1106 Parodia diersiana
Kulturpflanzen: Klon 2, 3, 6, 12, 20 und 22

Ich kämpfe mich in mühsamen Schritten entlang der senkrechten Felswände weiter in die Schlucht hinein. Plötzlich passiere ich eine sandige Fläche und denke bei mir, dass dies ein idealer Ort zum Campieren wäre. Das sanfte Plätschern des Wassers in unmittelbarer Nähe bestärkt mich in meiner Entscheidung, in dieser atemberaubenden Landschaft zu übernachten

Am Rio Orito Mayu, im Hintergrund der Cerro Pucara, Camp 4. Tag




Mittwoch, 24. November, am Rio Orito Mayu, östlich Soroma

Die Nacht war sternenklar und ich nutzte die kühlen Morgenstunden, um möglichst schnell aus dieser beeindruckenden, aber auch kräftezehrenden Steinwüste zu entkommen. Teilweise konnte ich den Weg erkennen, doch dann war er wieder weggespült von den letzten Regenfällen. Irgendwann öffnete sich die Schlucht und ich konnte den Weg erkennen, der nach Süden in die Berge führt.

Vom Rio Orito in die Cordillera Mandinga

Bald begegnet mir eine Frau, die mit den Ziegen unterwegs ist. Sie sagte, sie hätte mich gestern in Soroma gesehen und heute Morgen Suppe gekocht. Sie lud mich ein, diese zu kosten. Ich war sichtlich überrascht über dieses nette Angebot und sagte der Frau gerne zu, da ich noch nicht gefrühstückt habe. Drinnen im Haus lag der Kochtopf immer noch auf dem Feuer und es rauchte als ob das ganze Haus brennen würde. Die Kinder waren bereits losgelaufen in die Schule nach Soroma. Ihr Vater sprach nur die Quechua Sprache. Natürlich wollte die junge Frau erfahren, woher ich komme, wohin ich gedenke zu gehen und überhaupt, was ich hier mache. Es waren immer wieder dieselben Fragen, die auch berechtigterweise gestellt werden. Der dichte Rauch liess meine Augen tränen und ich musste mich gezwungenermassen verabschieden und bedanken. Diese Gastfreundschaft auf dem Lande beeindruckt mich immer wieder, obwohl die Menschen selber kaum genügend zu essen haben.

Als ich den sanft ansteigenden Weg weiter in Angriff nehme, brennt die Sonne bereits gnadenlos vom tiefblauen Himmel. Ich bin froh um jeden Schattenbaum, dem ich begegne.

Aufstieg in die Cordillera Mandinga

Es ist Nachmittag und die Sonne steht senkrecht am Himmel. Es gibt kaum Schatten und ich sehne mich nach Wasser. Als ich in höheren Lagen wieder felsiges Gelände erreiche, kam die Rettung. Ein Bach hat sich in die Felsen gegraben und ein herrliches Pool geschaffen. Wie ein kleines Kind plansche ich in diesem kühlen Nass und bekomme nicht genug davon.

Erfrischendes Bad

Abgekühlt und voller Tatendrang erkunde ich das felsige Gelände und entdecke einige grosse Exemplare von Weingartia pilcomayensis, die HJ 1107. Leider konnte ich keine reifen Samen finden.

HJ 1107 Weingartia pilcomayensis (neogumingii)
Estancia Inca Chaca, 2´800 m, Dep. Chuquisaca, Provinz Jaime Zudañez, Bolivien

Ich folge dem Wasserlauf bis in den späten Nachmittag hinein. Bald wird mir bewusst, dass es schwierig sein wird, in dieser schroffen Felslandschaft einen geeigneten Platz für das Nachtlager zu finden. Schliesslich entdecke ich unter einer Felswand einen kleinen, flachen Ort. Allerdings muss ich diesen zuerst von vielen Steinen befreien, damit das Zelt hineinpasst. Jetzt freue ich mich auf ein Bad im Bach, nur wenige Meter unter mir. Danach wasche ich Kleider und anschliessend koche ich ein leckeres Hühnchen-Curry mit Reis. Es ist einfach wunderbar, an einem so schönen Ort zu sein.

Am Cerro Llave Khasa, Camp 5. Tag




Donnerstag, 25. November, am Cerro Llave Khasa, Cordillera Mandinga

Die Nacht war wieder sternenklar und angenehm kühl zum Schlafen. Ich folge weiter dem Bach und erreichte bald einen beeindruckenden und wunderschönen Ort: einen Palmenwald inmitten einer zerklüfteten Felslandschaft. Es handelt sich um die Palmenart Parajubaea torallyi, die im andinen Bereich stellenweise vorkommt. Sie wächst zwischen erodiertem Sandgestein bis hoch zum Cerro Llave Khasa auf 3200 Metern.

Bald erreiche ich einen breit angelegten Weg, der durch diesen wunderschönen Palmenwald in Richtung Santa Lucia führt. Ich begegne einem Mann, der am Boden Früchte von den Palmen sammelt. Er wohnt ganz in der Nähe und sagt, dass die eiergrossen Früchte mit harter Schale und festem weissen Fleisch sehr gut schmecken würden. Damit ich eine dieser Früchte probieren kann, hat er eine Frucht aufgebrochen und zum Probieren gegeben. Und tatsächlich schmeckt es wie Kokosnuss.

Palmenart Parajubaea torallyi
Cerro Lave Khasa, 3´000 m-3´200 m, Dep. Chuquisaca, Provinz Jaime Zudañez, Bolivien

Über einen Pass erreiche ich ein kleines Tal, in dem ich abwärts nach Süden in Richtung Santa Lucia wandere. Kurz vor der Ortschaft mache ich einen Abstecher entlang der östlich gelegenen und steilen Bergflanken des Cerro Llave Khasa, um dort nach Kakteen zu suchen. Schon bald entdecke ich Pflanzen, die auf den ersten Blick einer Lobivia ähneln. Doch als ich welche finde mit Blütenrest und eine mit halboffener Blüte, die aus der Körperbasis erscheinen, wird schnell klar, dass es sich um Formen von Sulcorebutia juckeri handeln muss, die HJ 1108. Die aus Samen herangewachsenen Pflanzen in Kultur haben dies bestätigt.

HJ 1108 Sulcorebutia juckeri
Cerro Llave Khasa, Santa Lucia, 3´100 m, Dep. Chuquisaca, Provinz Jaime Zudañez, Bolivien

HJ 1108 Sulcorebutia juckeri
Kulturpflanzen: Klon 1, 3, 4, 5, 7 und 11

HJ 1108 Sulcorebutia juckeri
Kulturpflanzen: Klon 12, 14, 15, 17 und 27

Der Typ-Standort der HJ 410 Sulcorebutia juckeri befindet sich ca. 6 km südöstlich der HJ 1108, in der Region von Chunca Cancha, jedoch in wesentlich höherer Lage. Es gibt beträchtliche Unterschiede zwischen diesen beiden Taxa. Im Vergleich zur HJ 410 sind die hier wachsenden Sulcorebutia HJ 1108 wesentlich kleiner im Wuchs und ihre Dornen sind kürzer und weniger abstehend. Mehr Infos zu HJ 410 Sulcorebutia juckeri, siehe Etappe 9 und Etappe 10

Typ-Standort der HJ 410 Sulcorebutia juckeri, südlich Chunca Cancha, betrachtet vom Standort der HJ 1108 Sulcorebutia juckeri

Während ich lange damit beschäftigt war, Pflanzen zu fotografieren und reife Früchte zu suchen, machte ich mir auch Notizen über die unterschiedlich aussehenden Pflanzen. Doch dann geriet ich aus heiterem Himmel in ein heftiges Gewitter. Ich fand Schutz unter einem Baum, wo oben in den Ästen Stroh gelagert wird. Da es spät geworden ist, war ich erleichtert, als ich ganz in der Nähe am Rande eines kleinen Kartoffelackers notdürftig einen Platz für die Nacht fand.




Freitag, 26. November, am Cerro Llave Khasa bei Santa Lucia

Nachdem ich den offiziellen Weg wieder erreicht habe, ist es nicht mehr weit bis in die kleine Ortschaft Santa Lucia. Von hier ist der Standort der HJ 1108 Sulcorebutia gut sichtbar.

Standort von HJ 1108 Sulcorebutia juckeri am Cerro Llave Khasa, nähe Santa Lucia

Kaum habe ich das Dorf verlassen, entdeckte ich erneut eine Population von Sulcorebutia juckeri, die HJ 1108a. Es sind jedoch keine Unterschiede zu den zuvor gefundenen Pflanzen zu erkennen.

HJ 1108a Sulcorebutia juckeri
2 km südwestlich Santa Lucia, 2´900 m, Dep. Chuquisaca, Provinz Jaime Zudañez, Bolivien

HJ 1108a Sulcorebutia juckeri
Kulturpflanzen: Klon 1

Der Weg führt nun oberhalb des Rio Molle Punco nach Westen in tiefere Lagen. Es ist ein strahlend schöner Tag und je mehr ich an Höhe verliere, umso heisser wird das Klima. Grössere Schattenbäume für kurze Pausen sind selten. Dennoch steige ich immer wieder in das steile, felsige Gelände, um nach Kakteen zu suchen. Kurz bevor der Weg hinab zum Rio Molle Punco führt, ist dieser durch einen Erdrutsch unterbrochen. Vor mir liegt ein riesiger Haufen von Schutt und grossen Felsen, und es scheint unmöglich zu sein, diesen an dieser Stelle zu überqueren. Es gibt nur eine Möglichkeit: Ich muss diesen ca. 50 m langen Schuttkegel umgehen. Als ich den Steilhang hochkraxle, entdecke ich zu meiner Überraschung eine weitere Population von Sulcorebutia juckeri, die HJ 1109. Ich bin erstaunt, dass diese Pflanzen in einer Höhe von nur noch knapp 2600 m wachsen. Wegen des heissen und trockenen Klimas sind die Pflanzen etwas kleiner im Wuchs.

HJ 1109 Sulcorebutia juckeri
4 km südwestlich Santa Lucia, 2´590 m, Dep. Chuquisaca, Provinz Jaime Zudañez, Bolivien

HJ 1109 Sulcorebutia juckeri
Kulturpflanzen: Klon 5, 10, 12, 13, 17 und 50

Kräftezehrend, aber erleichtert, gelange ich endlich wieder auf den stellenweise von Büschen zugewachsenen Weg. Gequält von Durst, höre ich Wasser rauschen im Tal und liege schon bald in einem kühlen, klaren Pool am Rio Molle Punco. Einen Weg sucht man in dieser Steinwüste vergeblich. Und so wandere ich über Flusssteine weiter talwärts. Später am Ufer, an einem geschützten Ort zwischen Büschen, finde ich einen schönen Platz zum Campen. Auch das kleine Rinnsal des Rio Molle Punco ist ganz in der Nähe, und ich nutze die Gelegenheit, um Kleider zu waschen. Danach koche ich Pasta mit Tomaten und schneide noch etwas Trockenfleisch hinein - einfach lecker.

Wie jeden Abend schreibe ich Tagebuch. Dann plötzlich, in absoluter Stille, höre ich jemanden "Buenas Noches" rufen. Habe ich das jetzt geträumt? Nein, ich höre es wieder und öffne das Zelt. Und tatsächlich steht ein Indio vor mir. Er sagt, er käme aus dem kleinen Dorf Kollpa-Pampa oben in den Bergen und hätte Licht unten im Tal gesehen. Er konnte nicht verstehen, wieso dort ein Licht brennt. Er ist sehr freundlich und fragt, was ich hier mache. Ich beantworte ihm immer wieder die gleichen Fragen, die mir gestellt werden. Er sagt, ich solle doch morgen zu ihm kommen, um zu frühstücken. Diese Freundlichkeit musste ich jedoch absagen, da es in dieser Steinwüste bereits früh am Morgen sehr heiss wird und ich möglichst schnell zum Rio Pilcomayo gelangen möchte. Ohne ein Licht zu haben, verschwindet der Mann in der Dunkelheit.

Entlang des Rio Mollo Punco nach Westen, mit Camp 7. Tag




Samstag, 27. November, am Rio Molle Punco, Camp 7. Tag

Der Tag macht sich nur zögerlich bemerkbar, und die Sterne leuchten immer noch hell, als ich mein Zeltlager abbreche. Die Flusssteine sind jetzt von der gestrigen heissen Sonne abgekühlt, und ich nutze die kühlen Morgenstunden, um das nicht gerade wanderfreundliche Tal möglichst schnell zu verlassen.

Die Sonne wirkt wie ein Brennglas, sobald sie sich hinter dem Horizont zeigt. Ich flüchte auf die Schattenseite des Tales. Wenn man hoch in die Felsen schaut, sieht man Cleistocacteen und Harrisia tetracantha. Direkt vor meiner Nase in den Felsritzen wächst auch Blossfeldia liliputana. Später wird das weite Tal enger und mündet in eine enge Schlucht.

Am Rio Molle Punco, auf dem Weg nach Sumala

Dort wo sich die Schlucht wieder öffnet, sind junge Frauen in einem grossen Pool am Baden. Die Frauen sind ersichtlich überrascht, plötzlich, und dazu noch einen Gringo vor sich zu haben. Doch sie lassen sich nicht weiter stören und planschen fröhlich weiter. Für mich ist die Situation jedoch fast etwas peinlich. Etwas schmunzelnd grüsse ich und mache mich schnell aus dem Staub.

Um die Mittagszeit erreiche ich den kleinen Ort Sumala mit wenigen Häusern. Als ich an einem Hof vorbeikomme, treffe ich eine Frau, die draussen am Feuer kocht. Wir kommen ins Gespräch und sie lädt mich spontan zu einer Gemüsesuppe ein. Ich kaufe auch hartes Brot, gekochte Kartoffeln, einen Maiskolben und Eier bei ihr. Ich bin sehr froh darüber, denn ich vermute, dass meine Lebensmittel nicht bis nach Azurduy reichen könnten.

Die kleine Ortschaft Sumala

Nachdem ich genügend Wasser getankt habe, bedanke ich mich und mache mich auf den Weg zum nahegelegenen Rio Pilcoamayo. Ich wandere dort etwa zwei Kilometer flussaufwärts, bis ich an eine Stelle komme, wo der Fluss wenig Strömung hat und ich ihn überqueren kann. Beim ersten Versuch, ans andere Ufer zu gelangen, lasse ich meinen Rucksack zurück, um zu sehen, ob es ohne Schwimmen möglich ist. Zum Glück ist der Boden sandiger als erwartet, doch das Wasser reicht mir auf halber Strecke bis über den Bauchnabel. Es wird nicht einfach, aber es ist möglich. Ich werde deshalb das Gepäck auf dem Kopf im Regenponcho in drei Etappen transportieren müssen. Das Schwierigste bei dieser Aktion ist, die Balance in der Strömung zu halten. Wenn mich die Strömung weggetragen hätte, hätte ich möglicherweise wichtiges Material verloren, doch es ging alles gut.

Durchquerung des Rio Pilcomayo

Auf der Westseite wandere ich auf Schotter und Steinen Flussaufwärts in der Hoffnung, bald den Weg zu finden, der mich über einen kleinen Pass zum Rio Turuchipa führt. Doch schon bald fliesst der Fluss wieder an steilen Felsen entlang, und ich wusste nicht, wie ich hier weiterkommen sollte. Noch einmal über den Fluss zu gehen, möchte ich möglichst vermeiden. Deshalb suche ich eine Möglichkeit, über die Felsen weiterzukommen. Doch das scheint schwierig und gefährlich zu sein.

Wie aus dem Nichts sehe ich jedoch oberhalb der Felsen ein Mädchen, das mit ihren Ziegen vorbeizieht. Also muss es dort oben auch einen Weg geben. Ich steige hoch in dieses unwegsame Gelände und finde einen schuhbreiten Weg. Anfänglich gab es keine Probleme auf dieser schmalen Spur, Schritt für Schritt vorwärts zu kommen. Doch dann komme ich zu einer senkrechten Felswand, die 30 Meter tief in den Rio Pilcomaya hinabfällt. Es gibt nur eine sehr schmale Spur, die jedoch immer wieder unterbrochen ist. Lange habe ich überlegt, ob ich dieses gefährliche Unternehmen wagen soll, mit dem schweren Rucksack. Ich versuche es und halte mich bei jedem Schritt irgendwo an den Felsen fest, um dann den nächsten Schritt zu wagen. Obwohl meine Knie vor Angst zitterten, schaffe ich es. Im Nachhinein schimpfe ich mit mir selbst, ein solches Abenteuer eingegangen zu sein. Ein Absturz hätte tödlich sein können oder zumindest wäre ich verletzt gewesen, und auf Hilfe kann man hier nicht hoffen.

Ich wandere weiter flussaufwärts, in der Hoffnung, den Weg zu finden, der irgendwo über einen Sattel hinüber ins Tal des Rio Turuchipa führt. Leider bleibt mir dieser Weg verborgen und da es bereits spät geworden ist, suche ich einen geschützten Ort um zu Campen. Sollten ich morgen den Weg nicht finden, muss ich wohl oder übel wieder über den Fluss und weiter, bis dorthin, wo der Rio Turuchipa in den Rio Pilcomayo mündet.




Sonntag, 28. November, am Rio Turuchipa, Camp 8. Tag

Ich bin am Suppe kochen, als plötzlich zwei Männer vor mir standen, ein jüngerer und ein älterer. Schon bald merke ich, dass beide ziemlich betrunken sind und dummes Zeug vor sich herplapperten. Wie immer kommen dieselben Fragen auf, auch wohin ich gehen wolle. Ich sage es ihnen und der junge Mann antwortete kaum verständlich, ich müsse von hier dort drüben über die Felsen klettern und danach der kleinen Schlucht folgen. Das hörte sich ziemlich kompliziert an, und ich frage, ob sie mich ein Stück weit begleiten würden, für etwas Geld. Lange berieten sich die beiden Männer und sagten dann zu. Gleich zu Beginn über die Felsen war es etwas schwierig, denn es bestand Absturzgefahr. Ich hatte mich soweit gut unter Kontrolle. Doch die beiden betrunkenen Männer torkelten von Felsen zu Felsen und ich hatte Angst, sie würden abstürzen. Doch schlussendlich erreichen wir ohne Schaden die kleine Schlucht, die direkt auf den Sattel führt, und weiter hinunter zum Rio Turuchipa.

Mein Weg vom Rio Pilcomayo auf den Sattel zum Rio Turuchipa, Blick nach Osten

Der Rio Turuchipa ist ein grösserer Nebenfluss des Rio Pilcomayo. Obwohl dieser weniger Wasser führt, habe ich trotzdem grosse Probleme. Als ich mich flussaufwärts auf dem schlammigen und steinigen Ufer quälte, muss ich diesen gezwungenermassen zweimal überqueren. Das trübe Wasser reichte mir zwar nur bis zu den Knien, doch wegen der glitschigen grossen Steine und der starken Strömung war es schwierig, die Balance zu halten. Immer wieder kollerten Steine auf meine Füsse und ich schrie laut vor Schmerz in die Wildnis.

Am Rio Turuchipa

Ich war erleichtert, als ich endlich die Estancia Rupasca erreiche. Dort frage ich nach dem Weg in die Quebrada Rupasca, die nach Süden in die Berge führt. Ich bräuchte jetzt dringend sauberes Wasser, doch das Trinkwasser, das mir die Frau auf dem Hof anbot, war genauso schmutzig wie das vom Fluss.

Ächzend nach Wasser unter glühend heisser Sonne wandere ich in die Schlucht hinein, wo ich einen halbwegs begehbaren Weg folge. Völlig ausgetrocknet fand ich am späteren Nachmittag einen Tümpel mit Wasser. Doch dieses stinkt und riecht nach Schwefel. Trotzdem trank ich so viel, dass ich wieder schlucken kann. Bereits kurze Zeit später bekam ich einen fürchterlichen Durchfall, der nicht enden wollte. Dieser hatte mich derart geschwächt, dass ich bei nächster Gelegenheit mein Zelt inmitten einer vielfältigen Kakteenlandschaft aufschlug. Hier wachsen Harrisia tetracantha, Gymnocalycium pflanzii und Echinopsis thelegona.

Harrisia tetracantha, Gymnocalycium pflanzii und Echinopsen thelegona, Camp 9. Tag

Gymnocalycium pflanzii
Quebrada Rupasca, 2´400 m, Dep. Potosi, Provinz José María Linares, Bolivien

Echinopsis thelegona
Quebrada Rupasca, 2´400 m, Dep. Potosi, Provinz José María Linares, Bolivien

Die Nacht ohne Wasser wäre qualvoll, also folge ich dem ausgetrockneten und dicht bewachsenen Bachbett. Tatsächlich finde ich einen Tümpel, der zum Glück nicht nach Schwefel stank, aber voll von Mosquito-Larven ist. Mit meinem Wasserfilter ist dies jedoch kein Problem.




Montag, 29. November, in der Quebrada Rupasca, Camp 9. Tag

Gestern bin ich vom Weg abgekommen und habe ein Stück weit den Tierspuren gefolgt. Auf der Suche nach dem richtigen Weg wurde ich auf einer Anhöhe bald fündig. Ich verlasse das dichte Unterholz und gelange in felsiges Gelände, wo ich eine grosse Population von Parodia gibbulosa entdeckte, die HJ 1110, die vergesellschaftet ist mit Weingartia pilcomayensis.

HJ 1110 Parodia gibbulosa
Quebrada Rupasca, 2438 m, Dep. Potosi, Provinz José María Linares, Bolivien

HJ 1110 Parodia gibbulosa
Kulturpflanzen: Klon 1

An einem spärlich bewachsenen Westhang steige ich hoch in Richtung Cerro Rupasca. Die Sonne scheint wieder uneingeschränkt und gnadenlos vom Himmel und Schattenbäume gibt es keine. Doch bald werde ich angenehm überrascht von zahlreich blühenden Lobivia krahn-juckeri, die HJ 1111. Sie zeigen einen ungewöhnlichen Reichtum an Blütenfarben, auch in einer eng umgrenzten Population.

Der Name Lobivia krahn-juckeri wurde ausfolgenden Gründen gewählt:

Die Pflanze wurde bereits vor vielen Jahren von verschiedenen Kakteenliebhabern entlang der Strasse bei Turuchipa in nicht blühendem Zustand gefunden. Man hatte diese jedoch nicht für bemerkenswert gehalten. Wolfgang Krahn war der erste, der sich näher mit diesen Pflanzen beschäftigte und festgestellt hat, dass es möglicherweise eine neue Art ist.

Ich war derjenige, der die Verbreitungsgebiete dieser Art auf mehreren Reisen entlang des Rio Turuchipa bis ins Mündungsgebiet des Rio Pilcomayo und der weiteren Umgebung vollständig lokalisiert hat. Die Art entdeckte ich erstmals in der Region Turuchipa, als ich 1998 von dort nach Camargo gewandert bin.

Prof. Lothar Diers hat Pflanzen aus Samen verschiedener Standorte herangezogen und über Jahre hinweg untersucht. Dabei stellte er fest, dass es sich um eine neue Art handelt. Die Art wurde von Prof. Diers, 2009, in Kakteen und andere Sukklulenten erstbeschrieben.

HJ 1111 Lobivia krahn-juckeri
Cerro Rupasca, 2´700 m, Dep. Potosi, Provinz José María Linares, Bolivien.
Im Bildhintergrund befindet sich das Hauptverbreitungsgebiet der Lobivia krahn-juckeri, im Mündungsgebiet Rio Turuchipa-Rio Pilcomayo.

HJ 1111 Lobivia krahn-juckeri
Kulturpflanzen: Klon 1, 2, 3 und 5

Ich wandere weiter den Berg hinauf und geniesse die grandiose Fernsicht in die weitläufigen Täler. Bald entdeckte ich zu meiner Freude wieder Kakteen. Es handelt sich um grosse, polsterbildende Parodien mit roten Blüten, die HJ 1112. Obwohl diese Pflanzen bis heute namenlos geblieben sind, haben jahrelange Untersuchungen gezeigt, dass es sich um eine neue Art handelt, die in absehbarer Zeit erstbeschrieben wird. (Stand März 2024)

HJ 1112 Parodia spec.
Cerro Rupasca, 2´800 m, Dep. Potosi, Provinz José María Linares, Bolivien

HJ 1112 Parodia spec.
Kulturpflanzen: Klon 2, 3 (2x), 4, 5, 6 und 7

Heute scheint wirklich ein Glückstag zu sein. Kaum habe ich mich wieder auf den Weg gemacht, entdecke ich zu meiner grossen Überraschung zwischen Steinen und Gräsern einzelne Sulcorebutia juckeri, die HJ 1113. Später werden diese immer zahlreicher und auf dem Gebirgskamm, auf 2900 m, stehe ich mitten im Verbreitungsgebiet. Nach genauerem Betrachten der Pflanzen stelle ich fest, dass es keine wesentlichen Unterschiede zu denen bei Santa Lucia (HJ 1108 und HJ 1109) gibt. Erstaunlich ist jedoch, dass sich die Pflanzen über das weite Tal des Río Pilcomayo nach Westen verbreiten konnten.

Genau so begeistert wie von den gefundenen Pflanzen, war ich am selben Ort von dem wunderschönen Campingplatz, mit einer atemberaubenden Sicht in das weite Tal des Río Turuchipa und Río Pilcomayo und den farbigen Bergen.

HJ 1113 Sulcorebutia juckeri
Cerro Rupasca, 2´820 m-2´930 m, Dep. Potosi, Provinz José María Linares, Bolivien, Camp 10. Tag
mit Blick nach Norden ins Mündungsgebiet des Rio Turuchipa-Rio Pilcomayo

HJ 1113 Sulcorebutia juckeri
Kulturpflanzen: Klon 3, 4, 8, 9, 11 und 12

HJ 1113 Sulcorebutia juckeri
Kulturpflanzen: Klon 13, 14, 17, 18, 19 und 20

HJ 1113 Sulcorebutia juckeri
Kulturpflanzen: Klon 22, 24, 48, 55, 61, und 80

Am späten Nachmittag treffe ich auf einen Farmer, der mit Hacke und Esel unterwegs ist. Er kehrt von seinen Pflanzfeldern zurück. Ich frage ihn, wo ich Wasser finden kann. Er erklärt mir, dass es weit oben, wo der Rio Rupasca beginnt zu fliessen, welches geben könnte. Allerdings müsste ich dort über die steilen Felsen hinabsteigen. Ich habe nur noch einen Liter Wasser, der bis morgen reichen muss.




Dienstag, 30. November, Cerro Rupasca, Camp 10. Tag

Der gekochte Tee von gestern Abend ist aufgebraucht und ich verlasse das Camp noch vor Sonnenaufgang, um an den Ort zu gelangen, wo ich möglicherweise Wasser finde. Im Einzugsgebiet des Rio Rupasca finde ich jedoch nur einen ausgetrockneten Bachlauf. Über steile Felsen folge ich diesem und finde bald zwischen Steinen eine Wasserpfütze, die gerade genug Wasser hat, um meinen Wasservorrat zu füllen und meinen Durst zu löschen.

Die Sonne ist bereits über den Horizont gestiegen, als ich mich auf den Rückweg mache. Dabei mache ich einen kleinen Umweg und steige auf die höchste Stelle des Gebirgskamms. Dort, auf über 3300 m, gibt es wieder eine grosse Population von Sulcorebutia juckeri, die HJ 1113a. Wegen der hohen und trockenen Lage sind die Pflanzen meist etwas kleiner im Wuchs.

Von diesem Aussichtspunkt aus bietet sich eine weite Sicht über das Tal des Rio Pilcomayo zur Cordillera Mandinga und weiter bis nach Santa Lucia, wo sich der Standort der HJ 1109 Sulcorebutia juckeri befindet.

HJ 1113a Sulcorebutia juckeri
Cerro Rupasca, 3´337 m, Dep. Potosi, Provinz José María Linares, Bolivien, Blick in die Cordillera Mandinga mit Standort HJ 1109 Sulcorebutia juckeri, bei Santa Lucia

HJ 1113a Sulcorebutia juckeri
Kulturpflanzen: Klon 1, 3, 4, 5, 8, 9 und 12

Zu meiner Überraschung entdecke ich am selben Standort eine mir unbekannte Aylostera, die HJ 1114. Die Pflanzen sind etwa 2 cm dick, haben kurze anliegende weisse Dornen und bilden kleine Sprosshafen. Auf weiteren Reisen in diese Region habe ich an mehreren Stellen diese Pflanze wiedergefunden. Jahrelange Beobachtungen in Kultur haben gezeigt, dass es sich um eine neue Art handelt. Diese Pflanze wird in absehbarer Zeit als neue Art beschrieben.

HJ 1114 Aylostera spec.
Cerro Rupasca, 3´340 m, Dep. Potosi, Provinz José María Linares, Bolivien, Blick ins Tal des Rio Turuchipa

HJ 1114 Aylostera spec.
Kulturpflanzen: Klon 1 und 4

Beim Abstieg ins Camp leuchtet rot eine blühende Gruppe von Austrocylinderopuntia shaferi

Austrocylinderopuntia shaferi
Cerro Rupaska, 3´300 m, Blick ins Mündungsgebiet des Rio Turuchipa - Rio Pilcoamayo, Dep. Potosi, Provinz José María Linares, Bolivien

Es ist spät geworden, als ich mich endlich wieder auf den Weg mache, der jetzt östlich des Cerro Rupaska nach Süden führt. Zwischen den Felsen wachsen einige mir unbekannte Cleistocacteen, auf deren roten Blüten ein Insekt sitzt.

Cleistocactus spec. mit einem Wanzenpaar
Cerro Rupaska, 3´200 m, Dep. Potosi, Provinz José María Linares, Bolivien

Bis kurz vor Erreichen der Estancia Kollpa Mayu, finde ich noch vereinzelte Sulcorebutia juckeri, doch danach ist Schluss. Rauf und runter führt der Weg immer wieder durch kleine Seitentäler. Wegen den hohen Bergen im Westen, gibt es genügend Bachläufe mit Wasser und bei einem kleinen Wasserfall sogar eine erfrischende Dusche. Südlich der Estancia Huerta Mayu, auf einem Gebirgskamm finde ich kurz vor Dunkelheit einen idealen Platz zum Campen. Kaum ist das Zelt aufgebaut fängt es seit langen wieder an zu regnen.




Mittwoch, 1. Dezember, Region von Estancia Huerta Mayu, Camp 11. Tag

In der Nacht gab es noch kräftige Gewitter mit Blitz und Donner. Das Zelt stand an einem günstigen Ort, so dass das Zeltinnere trocken blieb. Ich frühstücke an der aufgehenden Sonne und lasse das Zelt trocknen. Auf diesem Gebirgskamm führt mein Weg steil den Berg hinauf in Richtung Estancia Tokhoro. Obwohl die Sonne noch flach am Horizont steht, wird es an diesem steilen Osthang bereits unangenehm heiss und der Schweiss tropft bereits von der Stirn. Doch schon bald werde ich belohnt von einem kleinen rotblühenden Pflänzchen zwischen den Steinen. Es ist eine Aylostera atrovirens, die HJ 1115. Ich finde noch weitere Pflanzen mit reifen Früchten Diese Pflanzen sind in etwas abweichenden Formen in höheren Lagen im südlichen Bolivien weit verbreitet.

HJ 1115 Aylostera atrovirens fa.
2 km nördlich Estancia Tokhoro, 3´378 m, Dep. Potosi, Provinz José María Linares, Bolivien

HJ 1115 Aylostera atrovirens fa.
Kulturpflanzen: Klon 1, 13 und 30

Es ist bereits Mittag geworden als sich in hohen Lagen der Gebirgskamm wieder abflacht. Dort zwischen Steinen eingeklemmt entdecke ich wieder eine kleinwüchsige Aylostera, die HJ 1116. Diese Pflanzen mit kurzen anliegenden weissen Dornen bilden kleine Polster und haben erstaunlich viele kurzröhrige Knospen am Körper. Schon bald wird klar, dass es sich um dieselbe unbekannte Art handelt wie die Aylostera HJ 1114, die ich gestern am Cerro Rupaska gefunden habe.

HJ 1116 Aylostera spec. (Synonym: HJ 1114)
2 km nördlich Estancia Tokhoro, 3´546 m, Dep. Potosi, Provinz José María Linares, Bolivien

HJ 1116 Aylostera spec. (Synonym: HJ 1114)
Kulturpflanzen: Klon 2, 4, 5 und 40

Kurz vor erreichen der Estancia Tokhora, in noch höheren Lagen entdecke ich einzeln wachsende Parodien hegeri, die HJ 1117. Diese Pflanzen sind in hohen Lagen in der weiteren Umgebung von Turuchipa weit verbreitet. Ich konnte auf späteren Reisen mehrere Fundorte lokalisieren.

HJ 1117 Parodia hegeri
1 km nördlich Estancia Tokhoro, 3´625 m, Dep. Potosi, Provinz José María Linares, Bolivien
Kulturpflanzen: Klon 1 und 2

Am selben Standort wie die Parodia hegeri finde ich auch einzelne Pflanzen von Aylostera atrovirens, die HJ 1118

HJ 1118 Aylostera atrovirens fa.
1 km nördlich Estancia Tokhoro, 3´625 m, Dep. Potosi, Provinz José María Linares, Bolivien
Kulturpflanzen: Klon 2

In steilen Serpentinen führt der Weg hinunter in ein enges Tal, in dem ein kleiner sauberer Bach fliesst. Ich folge diesem Rinnsal und finde später oberhalb vom Wasser, geschützt einen schönen Ort zum Campen. Ich koche Spaghetti Carbonara und schneide noch einen ganzen Salametti hinein und freue mich an einem so schönen Ort zu sein.




Donnerstag, 2. Dezember, am Rio Media Luna, Camp 12. Tag

Es ist noch halbwegs dunkel, als ich dem Rio Media Luna weiter folge. Bevor das Wasser endgültig im Kiesbett versickert, fülle ich meinen Wasservorrat auf. Danach führt der Weg wieder hinaus aus dem Tal in die Berge. Bald erreiche ich eine hügelige Hochebene, die Pampa Khuchu. Hier oben gibt es Spuren in alle Richtungen. Ich entdecke ein einziges grosses Polster einer mir unbekannten Lobivia, mit einer Blüte, jedoch ohne Samen, die HJ 1119.

HJ 1119 Lobivia spec.
2 km südlich Estancia Tokhoro, 3´463 m, Dep. Potosi, Provinz José María Linares, Bolivien

Auf einem gut sichtbaren Weg wandere ich nach Süden, wo ich bald über das breite Tal des Rio Torre Mayu blicken kann. Gleichzeitig sehe ich auf der Ebene, in spärlicher Vegetation rote Farbtupfer. Wieder sind es wunderschöne Formen von Aylostera atrovirens mit dunkel gefärbter Epidermis und sehr kurzen Dornen, die HJ 1120.

HJ 1120 Aylostera atrovirens fa.
2 km südlich Estancia Tokhoro, 3´463 m, Dep. Potosi, Provinz José María Linares, Bolivien

HJ 1120 Aylostera atrovirens fa.
Kulturpflanzen: Klon 1, 8, 9, 11 und 50

In einem Seitental finde ich den Weg, der 1200 Höhenmeter hinabführt zum Rio Torre May. Als ich auf halbem Weg ins Tal war, stiess ich auf eine kleine flache Stelle. Da ein kleiner Bach in der Nähe floss, beschloss ich, die Nacht dort zu verbringen. Ich wasche meine stinkenden T-schirts und hänge sie an die Büsche, bevor ich das Gelände nach möglichen Kakteenvorkommen erkunde. Ich entdeckte nur einen einzigen Kugelkaktus mit einer eingetrockneten Blüte, die Ähnlichkeiten sowohl mit einer Echinopsis als auch mit einer Lobivia krahn-juckeri aufwies. Daher habe ich dieser Pflanze eine neue Feldnummer, HJ 1121, zugewiesen.

Zwei Tage später, als ich das Tal verliess und nach Süden in die Berge stieg, konnte ich eine grössere Population von Pflanzen mit der Feldnummer HJ 1121 lokalisieren. Die Pflanzen, die aus Samen gezogen wurden, haben gezeigt, dass sie eng mit der Lobivia krahn-juckeri verwandt sind und als Unterart dieser betrachtet werden können. Die HJ 1121 wurde 2017 als Lobivia krahn-juckeri subspecies echinopsoides beschrieben, dazu später mehr.

HJ 1121 Lobivia krahn-juckeri ssp. echinopsoides
Rio Sarawaukho, nördlich Rio Torre Mayu, 2´800 m, Dep. Potosi, Provinz José María Linares, Bolivien, Camp 13. Tag

Oberhalb Camp 13. Tag, Blick nach Süden ins Tal des Rio Torre Mayu mit Standort HJ 1121 Lobivia krahn-juckeri ssp. echinopsoides, den ich zwei Tage später entdeckt habe.




Freitag, 3 Dezember, am Rio Sarawaukho, Camp 13. Tag

Ich wandere weiter ins Tal und erreiche bald die Estancia Tio Pampa am Rio Torre Mayu. Die Familie, die gerade am Kochen ist, ist überrascht als ich in dieser Stille Buenos días rufe. Vor allem aber in dieser Abgeschiedenheit jemand fremden vor sich zu haben. Die Einfachheit wie die Familie mit ihren zwei Kindern leben, zeigt, dass sie sehr arm sein müssen. Sie besitzen lediglich einige Hühner, Ziegen und einige Mango und Zitrusfrüchte. Als ich nach Hühnereiern frage, sagt die Frau sie hätte genügend und kocht fünf davon zum Mitnehmen. Ich bin zu tiefst beeindruckt über diese Grosszügigkeit und entschädige die Familie dementsprechend.

Besuch bei der Estancia Tio Pampa am Rio Torre Mayu


Information:

Leider sind beim Scannen der Filme am Flughafen einige der Filme ganz oder teilweise zerstört worden. Somit fehlen Standort-Bilder, oder sie sind von schlechter Qualität.


Mit genügend Wasser wandere ich über grosse und kräftezehrende Flusssteine an der unerträglich heissen Sonne Talaufwärts. Es ist bald Mittag geworden, als ich den Weg suche, der nach Süden wieder in die Berge führt. Immer wieder denke ich, diesen gefunden zu haben, doch es waren nur Spuren von Tieren. Der Rio Torre Mayu bildet hier die Grenze zwischen den beiden Departementes Postosi und Chuquisaca.

Entlang des Rio Torre Mayu

Doch später finde ich einen Weg, der in einen kleinen Taleinschnitt führt und weiter zu einem Haus. Vor diesem sitzt ein Mann und flickt seine Hose. Er sagt, ich sei auf dem richtigen Weg zur Estancia Molle Pampa. Mein Wasservorrat ist längst aufgebraucht und ich frage den Mann, ob er welches hat. Er sagt, dass seine Frau in die kleine Schlucht gegangen sei, um welches zu holen und bald zurück sein sollte, und so war es auch. Eigentlich hätte ich ja selber Wasser holen können, doch der alte Mann wollte mir eine Freude machen. Ich vermute, dass die Frau danach noch einmal Wasser holen musste.

Nach einem Aufstieg von siebenhundert Höhenmetern entdeckte ich am Fusse des Cerro Waca Cancha die ersten Lobivia krahn-juckeri ssp. echinopsoides, HJ 1121, die ich gestern in meinem Tagebuch kurz erwähnt hatte. Beim weiteren Aufstieg, sowohl in offenem Gelände als auch unter niedrigen Büschen, finde ich weitere Pflanzen.

HJ 1121 Lobivia krahn-juckeri ssp. echinopsoides
Nähe Estancia Waca Cancha, 2´900 m, Dep. Chuquisaca, Provinz Nor Cinti, Bolivien

Blick auf die Nordseite des Rio Torre Mayu zum ersten Standort der HJ 1121 Lobivia krahn-juckeri ssp. echinopsoides

HJ 1121 Lobivia krahn-juckeri ssp. echinopsoides
Kulturpflanzen: Klon 1, 2, 3, 4 und 5


Hier die wichtigsten Unterschiede der Lobivia krahn-juckeri zu der Unterart:

Vergleicht man die Pflanzen der Lobivia krahn-juckeri mit dieser Unterart, so zeigen sich vor allem im Habitus Unterschiede, dagegen nicht in Morphologie und Anatomie der Blüten. Die Art kann eine Sprosshöhe bis weit über 20 cm erreichen. Eine Grösse von 20 cm ist dagegen bei der Unterart schon eine Ausnahme. Im Gegensatz zu der Art, bilden sich bei der Unterart wesentlich mehr Sprosse. Besonders auffällige Unterschiede finden sich in der Bedornung. Die für Lobivia krahn-juckeri charakteristischen langen, nach vorn gerichteten, häufiger nach oben gebogenen Mitteldornen gibt es bei der Unterart nicht. Stattdessen treten Mitteldornen, z.T. sehr derbe auf, die deutlich abwärtsgerichtet sind. Diese Bedornungsform kann sogar als charakteristisch für die Unterart angesehen werden.
Um noch mehr Informationen über diese Unterart und deren Verbreitung zu erhalten, reiste ich 2006 erneut in die Region des Rio Torre Mayu. Die Pflanze wurde 2017 in der Zeitschrift Succulenta veröffentlicht.



Es ist spät geworden und ich suchte erfolglos nach einem flachen Ort zum Campen. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichte ich die Estancia Molle Pampa und fragte, ob ich hier bei der Kirche mein Zelt für die Nacht aufschlagen dürfte. Nachdem ich den Leuten erklärt hatte, was ich in dieser Gegend mache, hatten sie kein Problem damit. Beim Aufbau meines Zeltes versammelte sich das ganze Dorf um mich und stellte mir dieselben Fragen wie immer. Die Bewohner der vier Häuser staunten darüber, wie schnell ich mein Nachtlager aufgebaut und auf meinem Kocher eine Mahlzeit zubereitet hatte. Als es nichts mehr zu sehen gab, verschwanden sie wieder in ihre Häuser.




Samstag, 4. Dezember, Estancia Molle Pampa, Camp 14. Tag

Als die ersten Hühner anfingen zu gackern, war ich bereits reisefertig und machte mich auf den Weg nach Süden. An einem kleinen Bach konnte ich meinen Wasservorrat wieder auffüllen. Dichte Wolken ziehen um den Cerro Waca Cancha und es schien, als ob es bald regnen würde. Immer wieder begegnete ich Menschen mit schwer beladenen Eseln und ich fragte mich, woher sie alle kamen. Obwohl es leicht regnet, ist das Klima angenehm und ich komme gut voran. Später auf einem Gebirgskamm entlang habe ich schöne Sicht auf beide Seiten in die Täler.

Plötzlich stehe ich auf einer Strasse mit einem grossen Kehrplatz, auf dem eine Vielzahl von Materialien gelagert sind. Ich erfahre, dass Güter von Palacio Tambo, Nähe Hauptroute Camargo-Potosi, auf dieser Strasse transportiert werden. Dies erklärt auch, warum ich so vielen Menschen mit Gepäck begegnet bin. Obwohl diese Strasse nicht auf meiner Landkarte eingezeichnet ist, ist sie ein wichtiger Knotenpunkt für den Transport von Waren.

Später, in einem felsigen Gelände, schwatzte ich so vor mich hin, dass hier Parodien wachsen könnten, und so war es auch. Es handelt sich um eine mir unbekannte Art, die Parodia spec. HJ 1122. Dieselbe Art hatte ich später 2006 in derselben Region wiedergefunden, blieb aber bis heute namenlos. Sie ist jedoch in Bearbeitung und wird in absehbarer Zeit als neue Art beschrieben.

HJ 1122 Parodia spec.
Nähe Comunidad Pasla, 3´240 m, Dep. Chuquisaca, Provinz Nor Cinti, Bolivien
Kulturpflanzen: Klon 1, 3, 6, und 7

Wandern auf dieser Strasse ist eher eine Qual als ein Vergnügen. Deshalb mache ich immer wieder kleine Abstecher aufs offene Feld und entdecke dabei erneut eine Form von Aylostera atrovirens, die HJ 1123. Im Vergleich zu den zuletzt gefundenen Aylostera atrovirens, HJ 1120, haben diese eine kräftigere Bedornung und sind etwas grösser im Wuchs.

HJ 1123 Aylostera atrovirens fa.
Nähe Comunidad Pasla, 3´544 m, Dep. Chuquisaca, Provinz Nor Cinti, Bolivien
Kulturpflanzen: Klon 3, 10, 13, und 20

Nach 15 km Wandern bin ich ziemlich erschöpft. Ein Stück abseits der Strasse finde ich eine grosszügige Mulde, in der ich mein Zelt aufschlagen kann.




Sonntag, 5. Dezember, nähe Comunidad Pasla, Camp 15. Tag

Nähe Comunidad Pasla, Camp 15. Tag

Die Temperaturen in der Nacht sind in den Minusbereich gesunken, und ich bin nicht ausgerüstet, um mich warm zu halten. Ich habe gefroren, obwohl ich meine Jacke angezogen hatte. Nach einer warmen Suppe kehrten meine Lebensgeister zurück, und ich wandere weiter entlang der Strasse, die in noch höhere Lagen ansteigt. Wieder machte ich kleine Abstecher ins offene Gelände und entdeckte erneut eine Form von Aylostera atrovirens, die HJ 1124. Im Vergleich zu den zuletzt gefundenen Pflanzen sind diese kleiner im Wuchs und die Bedornung ist kürzer und mehr anliegend.

HJ 1124 Aylostera atrovirens fa.
Nähe Estancia Huana Khasa, 3´678 m, Dep. Chuquisaca, Provinz Nor Cinti, Bolivien
Kulturpflanzen: Klon 2, 44 und 45

Am gleichen Ort, aber in den Felsen, wächst auch eine Aylostera fiebrigii, die HJ 1125

HJ 1125 Aylostera fiebrigii
Nähe Estancia Huana Khasa, 3´678 m, Dep. Chuquisaca, Provinz Nor Cinti, Bolivien
Kulturpflanzen: Klon 2

Nachdem ich weitere 12 km auf der Strasse nach Süden gewandert bin, erreiche ich den Ort, an dem der Weg von der Strasse abzweigt und in Richtung Osten führt. Hier auf 4100 m geht es steil hoch zum Cerro Condoriri. Die Wahrscheinlichkeit, hier und in noch höheren Lagen Kakteen zu finden, ist gering, und so war es auch für lange Zeit. Doch kurz bevor ich den Pass erreiche, gibt es eine schöne Überraschung. Auf 4300 m, geschützt am steilen Westhang, zwischen Felsen, entdecke ich riesengrosse Lobivia. Meine erste Einschätzung war, es könnten Formen von Lobivia chrysochete sein. Ungewöhnlich sind jedoch die vielen Früchte am Scheitelrand, bis zu fünfzig an der Zahl. Eine solche Anzahl von Früchten konnte ich bei anderen Fundorten der Lobivia chrysochete nie beobachten. Die Grösse der Pflanze, bis 30 cm und die dichte Bedornung, schützen diese vor Kälte. Leider habe ich es versäumt, diese Lobivia mit der nächstfolgenden Feldnummer zu beschriften und bekam erst später, am Ende meiner Reise, die Feldnummer HJ 1142.

Ich war überrascht, als die aus Samen herangezogenen Pflanzen nach 16 Jahren erstmals sehr kleine Blühten hervorbrachten, die im Vergleich zu denen der Lobivia chrysochete stark abweichen.

Diese Pflanzen wurden in sehr hohen Lagen in Nordargentinien gefunden und als Varietät von Lobivia chrysochete betrachtet. Wegen der kleinen Blüten wurde sie später als eigenständige Art beschrieben, Lobivia minutiflora.

HJ 1142 Lobivia minutiflora
Cerro Condoriri, 4´200 m-4´300 m, Dep. Chuquisaca, Provinz Nor Cinti, Bolivien

HJ 1142 Lobivia minutiflora
Kulturpflanzen: Klon 1 (2x)

Nachdem ich den Pass auf 4400 m erreicht habe, führt der Weg auf eine Hochebene. Dort gibt es einige kleine Lagunen mit ausreichend Wasser. Obwohl es hier oben auf 4300 m empfindlich kalt werden kann, habe ich mich entschlossen, die Nacht hier zu verbringen.

Auf dem Cerro Condoriri, Camp 16. Tag




Montag, 6. Dezember, auf dem Cerro Condoriri, Camp 16. Tag

Dank der Tatsache, dass ich mich mit sämtlichen Kleidern in den Schlafsack gepackt hatte, fror ich in der Nacht trotz Temperaturen unter dem Gefrierpunkt nicht. Nach einer warmen Suppe setzte ich meine Reise über die Hochebene fort. Die ersten Sonnenstrahlen kämpften sich im Osten durch die Wolkendecke über dem Tal des Rio Pilcomayo. Danach führt der breit angelegte Weg die Bergflanken hinunter in Richtung der kleinen Ortschaft Kollpa.

Schon bald kommt im wolkenverhangenen Gelände eine weitere Überraschung. An einem grasbewachsenen Steilhang wachsen unzählig viele Puya raimondii. Ich bin überrascht, dass diese seltene und vom Aussterben bedrohte Art so weit südlich noch vorkommt. Sie ist vor allem im Norden und in Peru verbreitet. Es ist gut möglich, dass dieser Ort das südlichste Vorkommen dieser Art ist. Was mich besonders freute, war, dass es unzählig viele Jungpflanzen gibt.

Puya raimondii
Cerro Condoriri, 4´200 m-4´300 m, Dep. Chuquisaca, Provinz Nor Cinti, Bolivien

Beim weiteren Abstieg wachsen immer noch einzelne Lobiva minutiflora. Auch eine Form von Aylosteras atrovirens, die HJ 1126, ist in der Umgebung zu finden. Diese ist jedoch kaum von den zuvor gefundenen Arten zu unterscheiden und sind meist zwischen Gräsern versteckt.

HJ 1126 Aylosteras atrovirens
Cerro Jaraña, 4 km westlich von Kollpa, 4055 m, Dep. Chuquisaca, Provinz Nor Cinti, Bolivien
Kulturpflanzen: Klon 7, 9, 45, 48, und 58

Dreihundert Höhenmeter tiefer, als ich endlich klare Sicht habe ins Tal des Rio Pilcomayo finde ich erneut eine Population von Aylostera atrovirens, die HJ 1126a. Es sind dieselben Pflanzen wie die zuvor gefundenen.

HJ 1126a Aylosteras atrovirens
Cerro Jaraña, 3 km westlich von Kollpa, 3683 m, Dep. Chuquisaca, Provinz Nor Cinti, Bolivien
Kulturpflanzen: Klon 1, 3, und 4

Später führt der Weg in ein von steilen, majestätischen Felsen umgebenes, enges Tal. Was für eine Freude, als ich sah, dass sich hier am Bach, zwischen den Felsen, ein grosses Becken gebildet hatte. Obwohl die Luft kühl und das Wasser sehr kalt ist, gönne ich mir ein erfrischendes Bad, das dringend nötig war.

Nach einem gemütlichen Picknick und einem frischen T-Shirt setzte ich meine Wanderung entlang der steilen Felsen fort. Dort entdeckte ich im Moos und Flechten eine mir unbekannte, kurz bedornte Aylostera, die HJ 1127. Es wird immer noch abgeklärt, ob diese Aylostera eine neue Art ist oder ob sie mit anderen Aylosteras aus der weiteren Umgebung verwandt ist.

HJ 1127 Aylostera spec. (Synonym: HJ 1128 und 1134)
Cerro Jarana, 2 km westlich von Kollpa, 3´300 m, Dep. Chuquisaca, Provinz Nor Cinti, Bolivien

HJ 1127 Aylostera spec.
Kulturpflanzen: Klon 2, 3, 4, 7, 9, 12, 33 und 44

Am Standort der Aylostera HJ 1127 konnte ich eine reife Frucht und noch einige wenige Samen einer aufgeplatzten Frucht sammeln. Als die herangezogenen Pflanzen erstmals zu blühen begannen, erlebte ich eine unerwartete Überraschung: Einige dieser Pflanzen zeigten eine typische Sulcorebutia-Blüte. Der Habitus dieser beiden Gattungen ähnelt sich stark, sodass ich am Standort nicht bemerkte, dass ich Samen von einer unbekannten Sulcorebutia gesammelt hatte. Diese erhielt provisorisch die Feldnummer HJ 1127a. Bis dato waren westlich des Rio Pilcomayo keine Vorkommen von Sulcorebutien bekannt.

Um mehr über diese Sulcorebutia zu erfahren und ihre Verbreitung zu untersuchen, suchte ich von Camargo aus erneut diesen Standort auf und konnte mehrere dieser Sulcorebutien mit Samen wiederfinden. Diese erhielten die Feldnummer HJ 1239. Auf dem Rückweg nach Culpina, in der Region von Pirhuani, gelang es mir, einen weiteren Standort zu lokalisieren. Jahrelange Beobachtungen in Kultur bestätigten, dass es sich um eine neue Art handelt. Diese wurde 2014 in der Zeitschrift Succulenta als Sulcorebutia pirhuaniensis veröffentlicht, siehe PDF. Mehr Infos auch in Etappe 22, Camargo-Kollpa-Pirhuanai-Culpina

HJ 1127a Sulcorebutia pirhuaniensis
Cerro Jarana, 2 km westlich von Kollpa, 3´300 m, Dep. Chuquisaca, Provinz Nor Cinti, Bolivien
Kulturpflanzen - Bild 2: Klon 1, Bild 3: Klon 3 und 4

Während des weiteren Abstiegs erblicke ich die kleine Ortschaft Kollpa und das etwas ausserhalb gelegene Schulhaus. Dort möchte ich nachfragen, ob ich übernachten darf.

Kaum angekommen, treffe ich auf den Lehrer, der sich als Eduardo vorstellt. Nach einem kurzen Kennenlernen erklärt Eduardo, dass es genügend Matratzen gibt und ich im Schulzimmer übernachten kann. Auf seltsame Weise wurde ich zur Attraktion im Dorf. Es dauerte nicht lange, und das halbe Dorf versammelte sich im Schulhof. Die Leute waren jedoch etwas scheu und zurückhaltend, und nur wenige stellten mir die üblichen Fragen. Ich empfinde mich nicht als fremden Eindringling, sondern eher als willkommen. Eduardos Frau bereitete eine zusätzliche Portion Abendessen für mich zu. Endlich konnte ich nach langer Zeit wieder eine anständige Mahlzeit geniessen: Spiegelei mit Kartoffeln und Salat. Ich bedanke mich für die Gastfreundschaft und schenke den Kindern noch Schokolade. Als ich Eduardo einige Geldscheine in die Hosentasche stecken wollte, wurde er fast etwas wütend. Dennoch bestand ich darauf.

Übernachtung beim Schulhaus von Kollpa




Dienstag, 7. Dezember, im Schulhaus Kollpa, 17. Tag

In den frühen Morgenstunden, als die Hühner zu gackern begannen, mache ich mich bereits auf den Weg nach Süden, um die kühle Morgenluft zu nutzen. Bald verlasse ich die Ebene und steige steil hinab in die Schlucht des Rio Molino Mayu. Um zur Estancia Larkha Pampa zu gelangen, muss ich erneut siebenhundert Meter hoch in die Berge steigen. Während des Aufstiegs hatte ich eine klare Sicht nach Westen auf die hohen Berge, wo sich auch der Standort der Aylostera HJ 1127 befindet.

Blick nach Westen zum Standort der Aylostera HJ 1127

In höheren Lagen präsentiert sich das Gelände abwechslungsreich: Es wechselt zwischen hügeligen Abschnitten, die teilweise mit Sträuchern bewachsen sind, und kargen Orten mit Felsen und spärlicher Vegetation. An einem solchen Ort entdecke ich erneut eine Aylostera, die HJ 1128, die ich jedoch als synonym mit der HJ 1127 betrachte.

HJ 1128 Aylostera spec. (Synonym: HJ 1127 und 1134)
Rancho Larahujo Khasa, 2´960 m, Dep. Chuquisaca, Provinz Nor Cinti, Bolivien
Kulturpflanzen: Klon 2, 5, 8, und 44

Oberhalb der felsigen Abbruchkante, die mancherorts senkrecht bis zum Rio Pilcomayo hinabfällt, führt der Weg oft durch dicht bewaldetes Gebiet.

Entlang des Weges nach Süden mit Blick nach Südosten und Westen

Nach elf Kilometern Wandern seit heute Morgen erreiche ich den Ort, an dem der Weg nach Osten 1500 Höhenmeter durch den Wald hinunter zum Rio Pilcomayo führt. Dabei werde ich unerwartet von einem Hagelgewitter überrascht. Wie so oft konnte ich mich nicht rechtzeitig mit dem Regenponcho schützen und wurde völlig durchnässt. Ein stürmischer Wind fegte von den Bergen herab, und ich begann vor Kälte zu schlottern. Der Abstieg beginnt mit steilen und felsigen Abschnitten, die durch den vielen Regen glitschig und gefährlich geworden sind. Doch die Anstrengung wird belohnt: Ein grandioser Blick öffnet sich hinunter ins Tal des Rio Pilcomayo und auf die letzten Ausläufer der Cordillera Mandinga. Auf halbem Weg ins Tal erreiche ich ein leerstehendes Haus, das von einer sattgrünen Wiese umgeben ist. Das Haus dient als Geräteschuppen und zur Lagerung von Stroh. Da es wieder angefangen hat zu regnen und das Haus genug Platz bietet, breite ich meine Zeltplane auf dem Boden aus und entschliesse mich, die Nacht hier zu verbringen. Leider plagen mich unzählige Stechmücken und anderes beissendes Ungeziefer. Während ich noch Tee koche und eine warme Mahlzeit zubereite, verkrieche ich mich frühzeitig und frierend in meinen Schlafsack.

Abstieg vom Cerro Lara Punta zum Rio Pilcomayo mit Camp 18. Tag




Mittwoch, 8. Dezember, Am Cerro Lara Punta, Camp 18. Tag

Die muffelige Luft im Schuppen war unangenehm. Doch draussen, im warmen Licht der aufgehenden Sonne, empfing mich der würzige Duft der Gräser. Meine Kleider, die vom gestrigen Gewitter nass geworden sind, trocknen an der Sonne. Danach mache ich mich erneut auf den Weg ins Tal, doch im dichten Wald verliere ich bald die Orientierung. Ratlos irrte ich durch das unwegsame Gelände. Plötzlich höre ich rufe von oben. 'Amigo, was machst du da unten? Das ist der falsche Weg! Vier junge Männer, die Holz sammeln, kommen mir zur Hilfe. Freundlich und hilfsbereit führen sie mich zurück auf den richtigen Pfad. Als sie mich fragten, was ich in der Wildnis tue und ich es ihnen erklärte, zeigten sie wenig Verständnis dafür. Ehrlich gesagt, geht es mir manchmal genauso.

Beim weitern Abstieg ins Tal erlebe ich eine unerwartet schöne Überraschung. Im Wald und auf vereinzelten freistehenden Felsen, auf 2800 m, entdeckte ich kleinwüchsige, stark sprossende Parodien, die HJ 1130. Im Halbschatten zeigen die Pflanzen eine kurze, feinnadelige Bedornung, während sie an sonnigen Standorten kräftiger sind und einen auffällig, nach unten gebogenen Mitteldorn aufweisen.

Im Vergleich zu anderen Parodien in der weiteren Umgebung unterscheiden sich diese Parodien deutlich. Besonders ungewöhnlich ist, dass die aus Samen gezogenen Pflanzen bereits ab einer Größe von 3-4 cm blühen und neue Triebe bilden. Weitere Beobachtungen zeigten, dass diese Parodia eine neue Art ist: Parodia larapuntensis, benannt nach dem Cerro Lara Punta, an dessen Ostflanke sie vorkommt. Diese Entdeckung wurde 2015 in der Zeitschrift "Succulenta" veröffentlicht.

HJ 1130 Parodia larapuntensis
Am Osthang des Cerro Lara Punta, 1300 m-2100 m, Dep. Chuquisaca, Provinz Nor Cinti, Bolivien.
Blick nach Westen ins Tal des Rio Chakha Mayu und nach Süden zum Rio Pilcomayo

HJ 1130 Parodia larapuntensis
Kulturpflanzen: Klon 1, 2, 4, 5, 9 und 11

HJ 1130 Parodia larapuntensis
Kulturpflanzen: Klon 12, 13, 14, 15 und 16

Überraschenderweise konnte ich die Parodia HJ 1130 beim weiteren Abstieg immer wieder finden, bis ich den Talboden auf 1300 Metern erreichte. Bereits während des Abstiegs überlegte ich, wo ich den Rio Pilcomayo am besten überqueren sollte. An einer Stelle sehe ich, dass sich der Fluss in zwei separate Läufe aufteilt, was eine optimale Gelegenheit darstellt. Zuerst ohne Gepäck und später mit Gepäck wagte ich mich an die Überquerung der beiden Flussarme und war überrascht, dass es keine grösseren Probleme gab. Obwohl das Wasser an einigen Stellen fast bis zu meinem Bauchnabel reichte, konnte ich dank der geringen Strömung und fehlender grosser Steine mein Gleichgewicht gut halten.

Hier in dieser Steinwüste ist es unerträglich heiss und ich flüchte so schnell das eben auf den Flusssteinen geht in Richtung Rio Chakho Mayu, ein Nebenfluss des Rio Pilcomayo. Im bewaldeten Flusstal wandere ich ostwärts und finde bald fliessendes Wasser, ein wahrer Segen. Obwohl es keine grosse Abkühlung bietet, geniesse ich das Bad im klaren Wasser, das Balsam für meine strapazierten Gelenke ist. An diesem schattigen Ort mache ich ein ausgedehntes Picknick und erfreue mich an der Schönheit der Natur. Für eine längere Zeit folge ich weiterhin diesem Flusstal und finde einen idyllischen Ort zum Campen, wo genügend Wasser vorhanden ist.




Donnerstag, 9. Dezember, Am Rio Chakho Mayu, Camp 19. Tag

Die ganze Nacht hat es immer wieder geregnet, und nun ist alles feucht und nass. Trotzdem mache ich mich frühzeitig auf den Weg aus diesem engen Tal hinauf in die Berge. Die tropische Sonne heizt den feuchten Urwald auf, und es fühlt sich an, als wäre ich in einer dampfenden Waschküche gefangen. Am späteren Morgen verlasse ich den Wald und erreiche eine kleine Siedlung. Dort beladen Farmer Esel und Pferde mit Mais- und Kartoffelsäcken, um sie auf den Markt nach Azurduy zu bringen.

Gütertransport nach Azurduy

Im feuchten, mit Moos und Flechten bewachsenen Steilhang gedeihen Echeverien chilonensis. Diese Pflanzen gehören zur Familie der Dickblattgewächse.

HJ 1131 Echeveria chilonensis (Familie der Dickblattgewächse)
Westlich Estancia San Roque, 2´370 m, Dep. Chuquisaca, Provinz Azurduy, Bolivien

Am selben Ort findet man vereinzelt auch einen Cleistocactus spec., die HJ 1133, sowie eine Echinopsis. Die aus Samen herangewachsenen Pflanzen präsentieren schlanke, sich nur wenig öffnende rote Blüten.

HJ 1133 Cleistocactus spec.
Westlich Estancia San Roque, 2´370 m, Dep. Chuquisaca, Provinz Azurduy, Bolivien
Kulturpflanzen: Klon 1 und 3

Erschöpft und hungrig erreiche ich den Cerro Huarachuma und gönne mir eine längere Mittagspause. Doch von meinen Essensvorräten ist nicht viel übriggeblieben. Ich öffne meine letzte Packung Müsli. Beim längeren Suchen im Rucksack finde ich noch zwei Schokoriegel, einen Beutel Suppe und für heute Abend die letzte Fertigmalzeit. Danach gibt es nichts mehr zu essen. Ich hoffe jedoch, dass ich übermorgen die Ortschaft Azurduy erreichen werde.

Ein grandioser Blick öffnet sich ins Tal des Rio Pilcomayo und zum Standort der HJ 1130 Parodia larapuntensis, wo ich mich herumgequält habe.

Blick nach Westen ins Tal des Rio Pilcomayo und Standort HJ 1130 Parodia larapuntensis

Bald erreiche ich die Estancia San Roque. Nur wenig später, wo der Weg ins enge Tal des Rio Supay Mayu nach Osten führt, entdecke ich im grasbewachsenen steilen Gelände eine Aylostera, die HJ 1134. Anfangs konnte ich diese kleinen Pflanzen keiner mir bereits bekannten Art zuordnen. Beobachtungen in Kultur haben jedoch gezeigt, dass diese aus Samen herangewachsenen Pflanzen keine wesentlichen Unterschiede zu den zuletzt gefundenen Aylostera HJ 1127 und HJ 1128 aufweisen. Daher kann sie als Synonym für diese betrachtet werden. Was mich jedoch überrascht, ist, dass sich diese Aylostera-Pflanzen beidseitig des Rio Pilcomayo verbreiten konnten.

HJ 1134 Aylostera spec. (Synonym mit HJ 1127 und HJ 1128)
Estancia San Roque, Rio Supay Mayu, 2´612 m, Dep. Chuquisaca, Provinz Azurduy, Bolivien
Kulturpflanzen: Klon 1, 2, 5, 20, 25 und 50

Während meiner Wanderung weiter entlang des kleinen Rio Supay Mayu talaufwärts bemerkte ich, dass sich unweit im Osten ein heftiges Gewitter zusammenbraute. Anfangs schien ich verschont zu bleiben, denn es fielen nur einige wenige Tropfen auf mich herab. Doch plötzlich, nur Minuten später, brach eine gewaltige Flutwelle über das Tal herein und verwandelte den Bach in einen reissenden Fluss. Zu meinem Pech führte der Weg bald auf die andere Seite des Tals, und ich sass fest. Ich hoffte, dass sich diese beängstigende Situation bald beruhigen würde, doch dem war nicht so. Die Zeit verging, und ich musste notdürftig einen Platz für mein Nachtlager finden.




Freitag, 10. Dezember, Am Rio Rio Supay Mayu, Camp 20. Tag

In der Nacht hat es immer wieder geregnet, und ich hatte Bedenken, dass der Bach noch immer zu viel Wasser führen könnte, um ihn zu überqueren. Doch ich hatte Glück, er ist wieder auf ein kleines Rinnsal geschrumpft. Nun liegen noch etwa 12 Kilometer vor mir bis nach Azurduy. Wenn es keine unangenehmen Überraschungen mehr gibt, sollte ich mein Ziel heute erreichen.

Mein Weg führt mich weiter durch das enge Tal mit dichter und vielfältiger Vegetation. Die Umgebung lädt zum ausgiebigen Verweilen ein. Im feuchten Moos entdecke erneut eine Gruppe von Echeverien chilonensis. Die Blütenstände bilden rispenartige Trauben aus, die sich nach unten erstrecken. Diese werden bis 60 cm lang und die urnenförmig-zylindrische Blütenkrone ist in einem zarten Gelbton bis fast Weiss gehalten.

HJ 1131 Echeveria chilonensis (Familie der Dickblattgewächse)
Rio Supay Mayu östlich Estancia San Roque, 2´600 m, Dep. Chuquisaca, Provinz Azurduy, Bolivien

Es wachsen auch Knollenbegonien mit einem 10 cm-15cm hohen fleischigem Stamm.

Knollenbegonie spec. (Begonia x tuberhybrida, Schiefblattgewächse)
Rio Supay Mayu östlich Estancia San Roque, 2´600 m, Dep. Chuquisaca, Provinz Azurduy, Bolivien

Mein Weg durch das enge Tal des Rio Supay Mayu mit dichter und vielfältiger Vegetation

Später gabelt sich die Schlucht, und der Weg führt hinauf auf einen Gebirgskamm, der mich zu einem Pass führen wird. Kaum habe ich das bewaldete Gebiet hinter mir gelassen, entdecke ich zwischen den Steinen und dem spärlichen Graswuchs die ersten Sulcorebutia azurduyensis, die HJ 1135. Es überrascht mich nicht, diese Art hier zu finden. Bereits 1993, als ich von Zudañez nach Azurduy wanderte, konnte ich diese Pflanzen erstmals nördlich von hier an mehreren Fundorten lokalisieren. Aufgrund idealer Wachstumsbedingungen werden die Pflanzen bis zu vier Zentimeter dick und bilden teilweise sehr große Polster. (Weitere Infos, siehe Etappe 9)

HJ 1135 Sulcorebutia azurduyensis
6 km südwestlich Azurduy, Rio Supay Mayu, 2´900 m, Dep. Chuquisaca, Provinz Azurduy, Bolivien
Blick nach Westen.

HJ 1135 Sulcorebutia azurduyensis
Kulturpflanzen: Klon 3, 6 und 68

Oben auf dem Pass bläst ein stürmischer, unangenehm kalter Wind. Die Berge sind wolkenverhangen, und möglicherweise wird es bald regnen. Trotzdem mache ich einen Rundgang in diesem kargen, felsigen Gebiet und finde einige wenige Sulcorebutia azurduyensis mit Samen, die HJ 1136. In diesem nährstoffarmen Boden bleiben sie im Wuchs sehr klein, und es ist schwierig, sie zu entdecken In dieser Region ist es deutlich feuchter als weiter westlich. Die aus östlicher Richtung herangeführte feuchte Luft staut sich hier an den Bergflanken und entlädt sich in Form von Regen.

HJ 1136 Sulcorebutia azurduyensis
5 km südwestlich Azurduy, 3´150 m, Dep. Chuquisaca, Provinz Azurduy, Bolivien, Blick nach Westen.
Kulturpflanzen: Klon 82

HJ 1136 Sulcorebutia azurduyensis
Kulturpflanzen: Klon 2, 7 und 33

Auf einem Kamm verläuft der Weg nun meist nur noch abwärts. Kurze Zeit später trete ich buchstäblich über eine weitere Population von Sulcorebutia azurduyensis, die HJ 1137. Diese wachsen im grasbewachsenen, nährstoffreichen Boden und sind auch wieder grösser im Wuchs.

HJ 1137 Sulcorebutia azurduyensis
4 km südwestlich Azurduy, 3´058 m, Dep. Chuquisaca, Provinz Azurduy, Bolivien
Kulturpflanzen: Klon 5 + 20

Die Zeit ist knapp geworden, und ich muss mich beeilen, wenn ich heute noch nach Azurduy kommen will. Doch ich stehe vor einem Problem: Durch das ständige Schwitzen und die hohe Feuchtigkeit im Gelände hat sich die Haut an meinen Füssen an einigen Stellen aufgelöst. Die Entzündung ist stark, und ich verspüre grosse Schmerzen beim Gehen. Jetzt brauche ich den inneren Schweinehund, um mein Ziel heute noch zu erreichen.

Trotz des leichten Regens und der wenigen Steigungen erreiche ich kurz vor Dunkelheit nach drei Wochen Wildnis das malerische Azurduy. Im Hostal Silvestri finde ich ein Zimmer mit einer warmen Dusche im Hof - wahrer Luxus nach so langer Abgeschiedenheit von der Zivilisation. Ich freue mich nun auf ein Telefonat nach Hause. Ich bin erleichtert, dass alles in Ordnung ist. Doch das ist nicht alles: Mein Magen knurrt vor Vorfreude auf ein köstliches Essen. Vor dem Restaurant brutzeln Hamburger auf dem Grill. Da ich in den letzten Tagen nicht annähernd genug Kalorien zu mir genommen habe, ist mein Hunger entsprechend gross. Ich bitte die junge Frau am Grill vor dem Restaurant, gleich drei Hamburger für mich zuzubereiten - eine Bitte, die bei ihr für Verwirrung sorgt. Im Restaurant geniesse ich den ersten Hamburger mit einem kühlen Bier - ein wahrhaft schöner Moment. Und kaum habe ich ihn verspeist, serviert mir die Grillfrau bereits den nächsten. So geht es weiter.

Apropos Kalorien, möchte ich einen Hinweis geben. Um das Tragen des Rucksacks erträglich zu gestalten, kann ich nur eingeschränkt Lebensmittel mitnehmen und Einkaufsmöglichkeiten gibt es selten. Daher habe ich lediglich etwa 2000 Kalorien pro Tag zur Verfügung. Allerdings bräuchte ich 4000 oder noch mehr Kalorien pro Tag, was zu einem massiven Gewichtsverlust führt. Je nachdem, wie anspruchsvoll meine jeweils dreiwöchigen Wanderungen waren, habe ich zwischen sechs und neun Kilogramm an Gewicht verloren. Diese Entschlackung hat sich in jeder Hinsicht positiv auf mich ausgewirkt, und man fühlt sich danach physisch wie auch psychisch wie neu geboren.

Obwohl ich völlig erschöpft bin von den heutigen Strapazen, muss ich mich erst wieder daran gewöhnen, in einem, wenn auch unbequemen Bett zu schlafen. Aber das ist das kleinste Übel für all die Abenteuer, die ich in den letzten Wochen erlebt habe.

Azurduy, Blick vom Hostal Silvestri




Samstag, 11. Dezember, Azurduy, 21. Tag

Heute gönne ich mir einen gemütlichen Tag in Azurduy. Als erstes erkundige ich mich im Büro der Busgesellschaft, wann die Busse nach Sucre fahren. Die Frau am Schalter teilt mir mit, dass jeden Tag Busse verkehren, aber da Wochenende ist, seien alle Sitzplätze ausgebucht. Zum Glück habe ich keine Eile und kaufe mir daher ein Ticket für Montag früh.

Im Dorf gibt es nicht viel zu tun. Einzig der kleine Markt bietet etwas Abwechslung, wo auch Früchte und verschiedene Säfte verkauft werden. Solche Produkte habe ich auf meiner Reise bisher nicht gefunden, daher schätze ich diese meist tropischen Köstlichkeiten besonders.

Ich kehre in mein Zimmer zurück und bereite mich auf die Rückreise nach Sucre vor. Während ich mein Tagebuch schreibe, lasse ich meine dreiwöchige Reise noch einmal in Gedanken Revue passieren. Ich kann durchaus stolz darauf sein, diese kräftezehrende, schwierige und abenteuerliche Reise gesund abgeschlossen zu haben. Es wird oft gesagt, dass mit genügend Willenskraft alles möglich ist, selbst wenn es noch so schwierig erscheint

Auch in Bezug auf die Feldforschung kann ich zufrieden sein. Ich habe verschiedene Fundorte lokalisieren können, sowohl einer bereits bekannten als auch unbekannte Arten verschiedener Gattungen. Konkret handelt es sich um: Sulcorebutia juckeri, Aylostera spec. HJ 1114, eine neue Unterart von Lobivia krahn-juckeri, und zwei neue Arten Parodia, die HJ 1106 Parodia diersiana und die HJ 1130 Parodia larapuntensis.

Erfolgreich in der Feldforschung zu sein, ist wunderbar. Doch die wilde und zauberhafte Natur hautnah zu erleben und sich darin zu behaupten, ist noch schöner. Besonders beeindruckt mich immer wieder die Gastfreundschaft und die Einfachheit der Menschen, die trotz allem Glück in ihren Herzen tragen.

Ich verspüre die Lust, morgen noch etwas zu unternehmen, und schaue auf der Landkarte von Azurduy nach möglichen Ausflügen. Nachdem ich meine damalige Reise in Azurduy im Jahr 1993 beendet hatte, wanderte ich für einen Tag östlich in die Berge. Daher habe ich mich entschieden, morgen nach Rinconada im Süden zu gehen und von dort aus in die Berge im Osten zu wandern. Am Abend lasse ich mich erneut im Restaurant verwöhnen und kaufe meinen Lunch für den nächsten Tag.




Sonntag 12. Dezember, Azurduy, 22. Tag

Die Morgendämmerung bricht gerade erst an, als ich das Dorf verlasse. Aus einigen Hinterhöfen steigt bereits Rauch auf, begleitet von einem verlockenden Essensduft. Später treffe ich auf Bauern, die mit ihrem Esel ihre Produkte auf dem heutigen Sonntagsmarkt verkaufen wollen. Nach meiner Ankunft in Rinconada mache ich mich auf die Suche nach einem geeigneten Aufstiegspunkt zum Cerro Jayaral. Es existiert kein offizieller Weg, aber ich kann den Pfad verfolgen, den die Bauern nutzen, um ihre Tiere auf die Weiden zu führen.

Unmittelbar vor dem Erreichen des Gipfels des Cerro Jayaral, entdecke ich zu meinem Erstaunen eine Aylostera, die HJ 1138, die ihre Lebensgrundlage im Moos einer Astgabel eines Baumstamms gefunden hat. Als ich in der näheren Umgebung weitere solche Pflanzen entdecke, bekam ich den Verdacht, dass es sich um eine Aylostera handeln könnte, die ich sowohl 1993 nordwestlich als auch östlich von Azurduy gefunden habe - die HJ 428 und HJ 433. Die in Kultur herangewachsenen Pflanzen haben diese Vermutung bestätigt. Diese Pflanzen, die der Aylostera fiebrigii ähneln, sind bis heute namenlos geblieben. Mehr Informationen siehe (Mehr Infos siehe Etappe 9)

HJ 1138 Aylostera spec. (Synonym mit HJ 428 und HJ 433)
Cerro Jayaral, 4 km südlich Azurduy, 2528 m, Dep. Chuquisaca, Provinz Azurduy, Bolivien
Blick in die Ebene von Azurduy

HJ 1138 Aylostera spec. (Synonym mit HJ 428 und HJ 433)
Kulturpflanzen: Klon 1, 2, 3, 4, 5, 6 und 10

Wie erwartet, finde ich weiter oben auf dem Gipfel des Cerro Jayaral in spärlichem Grasbewuchs eine weitere Population von Sulcorebutia azurduyensis. Diese Kakteen sind sehr gedrungen im Wuchs und bilden kleine Polster.

HJ 1139 Sulcorebutia azurduyensis
Cerro Jayaral, 4 km südöstlich Azurduy, 2888 m, Dep. Chuquisaca, Provinz Azurduy, Bolivien
Blick nach Nordosten

HJ 1139 Sulcorebutia azurduyensis
Kulturpflanzen: Klon 1

Ich geniesse die atemberaubende Rundumsicht und wandere weiter nach Osten entlang des Gebirgskamms. Bald entdecke ich eine weitere Ansammlung von HJ 1140 Sulcorebutia azurduyensis. Diese Kakteen wachsen in rötlichem, sandigem Boden. Die meist mineralischen Nährstoffe haben dazu beigetragen, dass einige der Pflanzen bis zu fünf Zentimeter gross gewachsen sind.

HJ 1140 Sulcorebutia azurduyensis
Cerro Jayaral, 4 km südöstlich Azurduy, 2900 m, Dep. Chuquisaca, Provinz Azurduy, Bolivien
Blick nach Nordosten

HJ 1140 Sulcorebutia azurduyensis
Kulturpflanzen: Klon 1, 3, 5 und 7

HJ 1140 Sulcorebutia azurduyensis
Kulturpflanzen: Klon 11, 12, 13 und 15

Während meines Abstiegs in tiefere Lagen nach Osten, setzt sich ein Gebirgszug aus rotem Sandstein von Nord nach Süd fort. Bevor ich nach Azurduy zurückkehre, möchte ich diesen Ort genauer unter die Lupe nehmen.

In dieser kargen, roten Felslandschaft bin ich angenehm überrascht von der grossen Anzahl an HJ 1140 Sulcorebutia azurduyensis, die hier gedeihen. Sie wachsen vorwiegend solitär im sandig-mineralischen Boden zwischen aufgebrochenen roten Sandsteinplatten, wo sie vor Erosionen geschützt sind. Die Pflanzen scheinen auch hier einen idealen Nährboden zu haben und sind überdurchschnittlich gross gewachsen. Je nach Standort variieren sie leicht in ihrer Dornenfarbe und Dichte.

HJ 1141 Sulcorebutia azurduyensis
3 km südöstlich Azurduy, 2´500 m-2´600 m, Dep. Chuquisaca, Provinz Azurduy, Bolivien
Blick nach Osten

HJ 1141 Sulcorebutia azurduyensis
Kulturpflanzen: Klon 1, 2, 3, 4, 5 und 7

HJ 1141 Sulcorebutia azurduyensis
Kulturpflanzen: Klon 8, 9, 10, 11, 15 und 17

HJ 1141 Sulcorebutia azurduyensis
Kulturpflanzen: 18, 19, 27, 29 und 52

Es ist eine grosse Freude, hier an diesem interessanten Ort meine Feldarbeiten abzuschliessen. Ich wandere hinunter auf die Ebene und weiter durch die Pflanzfelder zurück nach Azurduy. Mein Bärenhunger meldet sich, und vor dem Restaurant steht wieder die Frau am Grill, die heute Hühnchenschenkel brät. Zwei davon sollten zusammen mit einer Portion Pommes reichen. Da der Reisebus morgen bereits um 8:00 Uhr losfährt, mache ich am Abend meinen Rucksack noch reisefertig.




Montag, 13. Dezember, Azurduy, 23. Tag

Frühzeitig erreichte ich die Busstation, wo bereits zahlreiche Leute warteten. Wie üblich in Bolivien liess der Bus auf sich warten. Das Verstauen des umfangreichen Gepäcks auf dem Dach und im Kofferraum zog sich endlos hin.

Mit dem Bus von Azurduy nach Sucre

Die geplante zehnstündige Fahrt nach Sucre wird sich aufgrund der Verzögerungen wohl bis spät in die Nacht ziehen. Zum Glück hatte ich einen Fensterplatz reserviert, denn bereits bei der Abfahrt machte sich ein unangenehmer Geruch breit. In Tarvita legten wir einen Halt ein, und die Leute frühstückten im Restaurant. Ich begnügte mich mit einigen Bananen.

Tarvita

Während der Weiterfahrt setzte heftiger Regen ein. Die Strasse wurde erst kürzlich fertiggestellt, und viele Brücken fehlen noch. Angesichts der bald anschwellenden Flüsse aus der Cordillera Maninga war es für den Fahrer eine Herausforderung, die richtige Entscheidung zu treffen, ob wir sie durchqueren sollten. Der Beifahrer musste immer wieder prüfen, ob das Wasser nicht zu tief war. Selbst Allradfahrzeuge hatten Schwierigkeiten oder konnten einige der Flüsse nicht überqueren. Die Regenzeit hat begonnen, und ich bin froh, dass ich meine Feldarbeiten grösstenteils unter trockenen Bedingungen abschliessen konnte.

Am frühen Nachmittag erreichen wir Sopachuy und machen eine Mittagspause. Auf der Weiterfahrt sind die Brücken fertiggestellt, und wir kommen gut voran. In Tomina führt die Strasse wieder nach Westen in die Berge. Etwa acht Kilometer vor Zudañez, bei einer starken Steigung, fängt der Motor an zu stottern und stellt danach ab. Es ist kaum zu glauben, aber dem Bus ist das Dieselöl ausgegangen. Wir haben zwar einen 10-Liter-Ersatzkanister, aber wie das bei Dieselfahrzeugen so ist, muss bei einem solchen Fall das gesamte Leitungssystem entlüftet werden, und das dauert. Da der Inhalt des Kanisters im Dieseltank nicht ausreichen würde, um diesen anzusaugen, muss der Brennstoff direkt aus dem Kanister angesaugt werden. Deshalb muss der Beifahrer während der Fahrt den Kanister ausserhalb des Fensters halten, der mit einem Schlauch direkt mit dem Motor verbunden ist.

Kein Dieselöl kurz vor Zudañez

Es ist bereits dämmerig, als wir uns dem Dorfeingang von Zudañez nähern und zur Tankstelle fahren. Verwirrt stelle ich fest, dass sich dort eine grosse Menschenmenge und viele Fahrzeuge versammelt haben. Schnell wird klar: Auch hier ist der Treibstoff ausgegangen. Doch Gerüchten zufolge soll bald ein Treibstofflieferwagen eintreffen. Unser Fahrer bestätigt dies und rät uns, ins Dorf zu gehen und etwas zu essen. Sobald neuer Treibstoff verfügbar ist, würde er uns abholen.

Im vergangenen Jahr verbrachte ich bei einer ausgedehnten Wanderung längere Zeit in diesem Ort und kenne ein gutes Restaurant. Dennoch hegte ich Zweifel, ob wir die Fahrt bald fortsetzen könnten. Doch am späteren Abend höre ich plötzlich Hupen, und tatsächlich fährt der Bus ins Dorf ein. Wir können also die Fahrt fortsetzen und erreichen Sucre um Mitternacht. Immer wenn ich hier ankomme, logiere ich im Hostal Recoleta Sur. Dank meiner guten Beziehung zum Portier, der aus Azurduy stammt - dem Ort, aus dem ich gerade komme -, verläuft das Einchecken reibungslos.

Sucre, im Hostal Recoleta Sur




Dienstag, 14. Dezember, Sucre, 24. Tag

Ich geniesse ein reichhaltiges Frühstückspuffet, mache einige Einkäufe und fahre anschliessend zum Flughafen. Beim Einchecken für den Flug nach La Paz, hatte ich Glück und erhielt einen Fensterplatz. Die dreistrahlige Boeing 727-200 hob pünktlich ab und flog in Richtung Norden. Es gab nur wenige Wolken am Himmel, und ich konnte sehen, wo ich mich 1997 auf meiner Wanderung von Ravelo nach Cochabamba herumgequält hatte.

Nach der Landung auf dem Flughafen El Alto, nahm ich ein Taxi und fuhr nach Mallasa zu meinem Freund Walter Schmid, dem Besitzer vom Hotel Oberland. Am Abend genossen wir ein gemütliches kulinarisches Beisammensein, bei dem ich von meinen Reiseerlebnissen berichtete.




Mittwoch, 15. Dezember, Mallasa, 25. Tag

Heute verbringe ich meinen letzten Tag in Bolivien. Gemeinsam mit Walter frühstücke ich, bereite mein Gepäck für die Heimreise vor und fahre anschliessend mit dem Taxi nach La Paz. Da Weihnachten bald vor der Tür steht, kaufe ich auf dem Markt bei der Plaza San Francisco Geschenke für meine Liebsten. Aufgrund des kalten und regnerischen Wetters bleibe ich nur so lange wie nötig in der Innenstadt und kehre dann ins Hotel zurück.




Donnerstag, 16. Dezember, Mallasa, 26. Tag

Ich hatte noch genügend Zeit, um in entspannter Atmosphäre mit Walter zu frühstücken. Danach fuhr ich zum Flughafen nach El Alt und konnte ohne ausführliche Handgepäckkontrolle einchecken. Am frühen Nachmittag sind wir bereits über den Woken auf den Weg in Richtung Santa Cruz. Der Weiterflug nach São Paulo verlief ebenfalls planmässig. Nach einer längeren Wartezeit im Transitbereich war auch der Nachtflug nach Zürich pünktlich, und wir erreichten das Ziel am nächsten Morgen. Dora wartete schon ungeduldig auf meine Ankunft und war dann überglücklich, als wir uns nach so langer Zeit in die Arme schliessen konnten.




Literatur:
Parodien:
Jucker, H. (2020). Parodia diersiana, eine neue Art aus den Departamentos Potosi und Chuquisaca, Bolvien - KuaS 71 (9): 259-268.
Diers, L & Jucker, H. (2015): Parodia larapuntensis spec. nov. - Succulenta 94 (3): 116-124

Lobivia:
Diers, L. (2009) Lobivia krahn-juckeri, (Cactaceae) - eine neue Art aus Bolivien - KuaS 60 (8) 215-223
Diers, L. & Jucker, H. (2017). Lobivia krahn-juckeri subspecies echinopsoides subsp. nov. - Succulenta 96 (3) 111-125

Sulcorebutia:
Gertel, W. (2004): Sulcorebutia juckeri eine neue Art aus der Cordillera Mandinga, Bolivien. - KuaS 55 (12): 332-338
Gertel, W. & Jucker, H, & de Vries, J.(2006b): Sulcorebutia azurduyensis (Cactaceae) - eine neue Art aus der Umgebung von Azurduy, Bolvien - KuaS 57 (9): 239-247
Gertel, W. & Jucker, H. (2014): Sulcorebutia pirhuaniensis (Cactaceae) - Succulenta 93 (4): 155-165